Stellen Sie sich vor: Sie haben in der DDR ein „Abitur mit Auszeichnung“ geschafft. Sie wurden nicht zum Hochschulstudium, dafür zu einem wissenschaftlichen Fachschulstudium zugelassen, das im Zuge des Einigungsvertrages als Fachhochschulstudium anerkannt wurde.

Stellen Sie sich vor: Sie erlebten bei Ihrem national bedeutenden Arbeitgeber, dass sich im Zuge der deutschen Wiedervereinigung die ehemaligen SED-Genossen und die Zugezogenen mit westdeutscher Bilderbuch-Karriere die Chefposten friedfertig teilten. Für alle blieb klar: Sie sind als Ostdeutsche/r mit Ihrer gesellschaftlichen, politischen und sozialen Geschichte für Führungsposten nicht vorgesehen.

Stellen Sie sich vor: Sie haben sich unabhängig davon 30 Jahre für Ihre Arbeit begeistert, haben sich immer wieder neuen Aufgaben gestellt, sich mit neuen Inhalten und Zusammenhängen vertraut gemacht. Sie sind flexibel eingesprungen und mit Ihrer Expertise in der Fachwelt für die Sache, die Sie langjährig aufgebaut, vermittelt und verantwortet haben, anerkannt und geschätzt. Sie sind Wissensarbeiter/in mit Knowhow, das für substantiell gestärktes Netzwerken über die Institution hinaus Gold wert ist.

Stellen Sie sich nun vor: Sie nehmen sich selbst ernst. Sie beantragen eine Überprüfung Ihrer Eingruppierung im Öffentlichen Dienst. Eben die, die der Kollege in der westdeutschen Filiale schon lange für dieselbe Funktion über Jahre hinweg erhalten hat. Sie warten einen Monat, 6 Monate, 12. Schließlich vergehen über 24 Monate, in denen Sie immer wieder nachfragen. Was folgt sind Gespräche mit den Verantwortlichen, die nur ein Ziel zu haben scheinen: Ihre fachliche Expertise und persönliche Integrität in Frage zu stellen und anzugreifen.

Stellen Sie sich vor: Das Prozedere führt dazu, dass Sie sich nicht auf die neu ausgeschriebene Leitungsstelle, für die Sie ausgewiesene/r Expertin/e sind, bewerben können. Sie erhalten einen neuen Vorgesetzten, der Neuland betritt. Weil ja andere auch mal eine Chance bekommen sollen, nur Sie eben nicht. Und damit haben Sie einen weiteren Mitarbeiter im Arbeitsumfeld, der neu hinzukommt, besser bezahlt wird und dem Sie Ihr Gelerntes, Ihr Erfahrungswissen, Ihr Knowhow selbstverständlich weiterreichen sollen.

Stellen Sie sich vor: Nicht mehr Sie halten für Projekte den Kontakt zu Ihren Fachkollegen, sondern ein weiterer Mitarbeiter aus der Direktionsetage, der gerade in Ihre Abteilung mit einer neu geschaffenen Stelle zum „Managen von Projekten“ verschoben wurde. Das Paradoxe: Die Fachkollegen von draußen rufen irritiert bei Ihnen an, da für alle spürbar eine erhebliche Lücke klafft.

Stellen Sie sich vor, was an Vertrauen übrig bleibt. Zwischen sogenannten Führungskräften und Mitarbeitern in einer nationalen Anstalt des Öffentliches Rechts, die sich dem Wissenschaftsjahr 2018 mit den „Arbeitswelten der Zukunft“ beschäftigt.

Ich weiß nicht wie die betroffene Person weiter mit ihrer Geschichte umgehen wird. Was ich weiß ist, dass hier die zentralen Werte eines neuen Arbeitsverständnisses wie Kreativität, Initiative, Kenntnisse und Erfahrungswissen über Wissensressourcen und ähnliche Kompetenzen an diesem Ort fahrlässig aufs Spiel gesetzt werden.